Knapp 1.5 Jahre ist es her, seit wir uns bei ProjektForum als Team für ein soziokratisches Organisationsmodell entschieden haben. Der Prozess hin zu einer soziokratischen Organisationsform ist für mich wie eine Fahrt auf einer Achterbahn: es gibt Hochs im Team, es gibt Tiefs, es gibt Unsicherheit (vielleicht sogar Angst), es gibt Vorfreude (vielleicht sogar Ekstase), dann wieder Nervenkitzel und sicher eine Menge Fahrtwind.

An unserer letzten Retraite anfangs August 2022 in Basel haben wir auf die letzten 18 Monate zurückgeblickt und auch ein paar zukunftsweisende Entscheidungen getroffen. Es standen viele Themen auf dem Programm: Feedbackkultur, Einheitslohn, Teambeteiligung an der Aktiengesellschaft der ProjektForum AG, Schärfung unserer Positionierung und Erarbeitung eines Leitbilds. Alles gerahmt von einem tollen Programm, das unser Basler Teammitglied Regula für uns organisiert hat: Schwimmen im Rhein, Apero in einer der vielen Buvetten, Abendessen im Basler Hafen (fast schon in Deutschland und fast schon in Frankreich), eine E-Bike-Tour und eine Architektur-Führung durch das sich rasant entwickelnde Dreispitzareal im Süden der Stadt. Aber gehen wir Schritt für Schritt.

Das Team ist entscheidend

«It smells like teamspirit»: Der leicht adaptierte Song der 90er Jahre Grunge Band Nirvana bringt für mich unser Teamgefühl auf den Punkt: wir hören einander zu, wir teilen das gemeinsame Interesse an Veränderung, wir sind im stetigen Austausch (auch wenn es unterschiedliche Positionen im Team gibt) und begegnen einander mit Wertschätzung. Dieser Teamspirit legt aus meiner Sicht eine wichtige und solide Grundlage, um sich überhaupt immer wieder auf den Wandel hin zu einem soziokratischen Organisationsmodell einzulassen.

Denn manchmal ist es nicht nur einfach: Es gibt noch immer viele offene Fragen (zurzeit vor allem rechtlicher und finanzieller, aber hin und wieder auch organisatorischer Art), und der Prozess braucht Mut und Geduld, Offenheit und auch einiges an Abstimmungsbedarf im Team. Nach 18 Monaten können wir jedoch stolz sagen, dass wir mittlerweile alle in unseren neuen Ressorts und Rollen angekommen sind und uns in den neuen Verantwortungsgefügen gefunden haben. Interne Prozesse wie beispielsweise Infrastruktur, HR oder Akquise (um nur einige davon zu nennen) sind viel breiter auf das Team aufgeteilt als noch vor 1.5 Jahren, wo die meisten dieser Aufgaben bei der Co-Geschäftsleitung lagen. Ein wichtiges Ziel ist also erreicht.

«Warum tun wir, was wir tun?»

Das gemeinsame Teilen der Verantwortung bedeutet auch eine gemeinsame Vision zu teilen: «Wohin wollen wir als Team? Warum tun wir bei ProjektForum, was wir tun? Wie schärfen wir unsere Positionierung?» Ein Teammitglied hat es mit einem Augenzwinkern auf den Punkt gebracht: «We bring participation to all the nation». Ein Ziel ist es, dass wir uns als Agentur in Zukunft noch mehr auf die Begleitung von partizipativen Prozessen auf lokaler und regionaler Ebene fokussieren wollen. Zudem wollen wir unser Leitbild gemeinsam weiterentwickeln: «Wo gibt es in unserem Selbstverständnis Gemeinsamkeiten, wo Differenzen, und wo braucht es eine Überarbeitung und Anpassung des bisherigen Leitbilds?» Unsere gemeinsamen Werte, die bei ProjektForum implizit bereits mehrheitlich gelebt werden, gilt es in einem nächsten Schritt auszuformulieren, um ein neues Leitbild mit gemeinsamer Vision zu erarbeiten.

Gleicher Lohn = fairer Lohn?

Ein weiteres intensives Thema, das ProjektForum seit längerem beschäftigt, ist unser Lohnmodell. Auch wenn unsere Löhne bereits transparent auf dem Tisch liegen und jede*r im Team weiss, wie viel die anderen verdienen, möchten wir unser Modell (inkl. Fringe Benefits) innovativ an unser neues Organisationsmodell anpassen. Dazu haben wir uns im Vorfeld unserer Retraite viel Inspiration in unserem Umfeld gesucht (Danke an Lernnetz, die WOZ, Hochparterre oder auch Apps with love). Dabei haben wir verschiedene Modelle studiert, unter anderem den Einheitslohn: Denn bedeutet geteilte Verantwortung in letzter Konsequenz nicht auch gleicher Lohn für alle?

Auch wenn wir die Verantwortung im Team sehr breit aufgeteilt haben, gibt es de facto bei ProjektForum noch immer eine Geschäftsleitung und einen Verwaltungsrat – sprich jene, die im Endeffekt auch rechtlich geradestehen müssen, wenn was schiefläuft. «Sollen Mitglieder der Geschäftsleitung mehr Lohn haben, weil sie beteiligt sind und damit ein finanzielles Risiko tragen?», brachten einige Teammitglieder in die Diskussion ein. «Bedeutet Soziokratie im Endeffekt dann nicht auch, dass sich alle Teammitglieder finanziell an der Firma beteiligen sollten?», formulierten andere. Und was bedeutet das Ganze eigentlich rechtlich, wenn die Geschäftsleitung aus meiner Perspektive nur noch pro forma besteht – ist eine AG dann noch die richtige Rechtsform?

Wir bleiben dran!

Alle Antworten auf diese Fragen haben wir (noch) nicht gefunden, noch immer weht uns der Wind unserer Achterbahnfahrt ganz schön um die Ohren, aber wie unser Freelancer Mario immer so schön sagt: «Das einzig Stetige ist der Wandel». Halten wir uns also an diesem Motto fest. Auch wenn wir uns vom Einheitslohn an der Retraite im Konsentprinzip bis auf weiteres verabschiedet haben und einige Teammitglieder diesen «Fortschritt», der bereits im Keim erstickt wurde, mit dem ironisch adaptierten Song «Radio killed the Videostar» von The Buggles quittierten – eines ist klar: Soziokratie hat viele Ausprägungen in der Praxis – wir finden noch immer die unsere.