Die Mitwirkung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen hat im Jubiläumsjahr 2019 landesweit dafür gesorgt, dass Carl Spitteler neu gelesen, gedeutet und geschätzt wurde. Dies lässt hoffen, dass der «rebellische» Literaturnobelpreisträger auch in Zukunft den Dialog zwischen Generationen und Sprachregionen anstösst.

Das Spitteler-Jubiläum ging planmässig im Sommer 2020 zu Ende, bevor es eigentlich hätte beginnen sollen. Das Nobel-Komitee hat den ersten Schweizer Literaturnobelpreisträger am 11. November 1920 ausgezeichnet, rückwirkend für das Jahr 1919. Das 100. Jubiläum wurde deshalb frühzeitig bereits im April 2019 gestartet, ein Glücksfall – denn in diesem ausserordentlichen Jahr 2020 hätte es natürlich wenig Raum gegeben für die Kraft der Worte Spittelers.

Dass Spitteler in der ganzen Schweiz wiederentdeckt wurde, verdanken wir einem engagierten Verein und illustrem Patronatskomitee unter der Ägide von Bundesrat Alain Berset, aber auch dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der im Jahr 2017 bei einem Staatsbesuch in der Schweiz den Poeten in Erinnerung gerufen hatte. Die Wenigsten kannten damals Spitteler und ich noch weniger, da wir uns im Tessin (auch Menschen!) in der Schule eher mit dem bekannteren Nobelpreisträger Hermann Hesse (auch ein Schweizer!) anfreundeten.

Wichtige Fragen für alle Generationen

Noch wichtiger für die Wiederentdeckung Spittelers war aber die Tatsache, dass auch die jüngeren Generationen das Jubiläum mitgestaltet haben, obwohl seine Texte aus heutiger Sicht nicht immer sehr einfach zu lesen sind: Der Rapper Black Tiger mit seinen Kollegen Pyro und E-Light, die Autorin und Übersetzerin Camille Luscher, die Ausstellungsmacherin Sandrine Girardier, zwei Schulklassen der Kantonsschule Alpenquai Luzern oder auch Literaturstudent*innen des Literaturinstituts in Biel, um nur einige aus unterschiedlichen Sprachregionen zu nennen, welche im Jubiläumsjahr besonders kreative Leistungen erbracht haben. Ihre Mitwirkung hat dafür gesorgt, dass Spitteler landesweit neu gelesen, gedeutet und geschätzt wurde und lässt hoffen, dass der «rebellische» Nobelpreisträger auch in Zukunft den Dialog zwischen Generationen und Sprachregionen anstösst.

Auch ich konnte mich als noch relativ junger Medienbeauftragter des Vereins «Carl Spitteler – 100 Jahre Literaturnobelpreis» im Laufe des Jubiläums immer mehr für Spitteler begeistern, der ja nicht nur ein Schriftsteller, sondern auch Lehrer, Journalist, Musiker und Weltreisender war. Seine Standpunkte zur Neutralität (Kriege und Klimakrise?), zur Fremdenfeindlichkeit (Migration?) und zum Volk (Populismus?) können auch heute noch spannende und wichtige Diskussionen auslösen. Die mutigen Worte Spittelers haben mich tief beeindruckt – und ermutigen mich mehr denn je, mit meinem eigenen Kopf zu denken, zu handeln und zu kommunizieren.

Zum Schlussbericht des Vereins «Carl Spitteler – 100 Jahre Literaturnobelpreis 1919-2019» 

Zur filmischen Dokumentation «Spitteler. Literaturnobelpreisträger» von Jörg Huwyler (2019 © Carl Spitteler Stiftung)

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