Seit Frühling 2021 erarbeitet ProjektForum gemeinsam mit Familie & Quartier Stadt Bern eine digitale Methodenbox für Kinder-und Jugendmitwirkungen, welche anhand der Design Thinking Methodik erarbeitet wird. Im Interview erzählt Peter Schnyder, Co-Leiter Fachstelle Kinder- und Jugendmitwirkung bei Familie & Quartier Stadt Bern, wie er den Prozess rund um die Entwicklung der Methodenbox wahrnimmt und, wie sich Kinder- und Jugendmitwirkungen in den letzten 22 Jahren verändert haben.

Seit wann arbeitest du auf der Fachstelle Kinder- und Jugendmitwirkung von Familie & Quartier Stadt Bern und was hast du davor gemacht?

Ich bin nun schon seit 2000 bei Familie & Quartier Stadt Bern. Ursprünglich bin ich Primarlehrer, habe aber bei Kleinklassen Turnen unterrichtet und in einer Tagesstätte gearbeitet. Dort bin ich das erste Mal so richtig mit Mitwirkungen in Kontakt gekommen. Es gab in der Tagesstätte einen Kinderrat, den die Kinder selbst geleitet haben. Da war ich zu Beginn sehr skeptisch, bis die Kinder mir in Eigenregie eine Strafe erteilten, weil ich einem Kind einen Spitznamen gegeben habe… Da wusste ich:  so ein Kinderrat funktioniert wirklich (lacht).

Wie haben sich Kinder- und Jugendmitwirkungen in deiner Zeit bei der Fachstelle Kinder- und Jugendmitwirkung verändert?

Zu meinen Anfangszeiten in den 2000er Jahren habe ich Mitwirkungen oft alleine und immer analog gemacht. Zum Beispiel beim grossen Länggassschulhaus: Es war mir zum Beispiel anfangs nicht klar, dass Kinder Pläne schwer lesen können. Ich habe dann nach Messübungen auf dem Pausenplatz alles im richtigen Massstab auf dem Aussenraumplan einzeichnen lassen, und dann war schnell klar, dass nicht alle Spielgeräte auf dem Pausenplatz Platz haben werden, die sie sich gewünscht hätten (lacht). Anschliessend durften sie auf einer Wunschliste, die von Stadt Grün mit Preisschildern versehen wurde, priorisieren und haben so auch sofort gesehen, was im Budget liegt und was nicht.

Bei Spielplatz-Mitwirkungen und vor allem Jugend-Befragungen wurden digitale Instrumente wie Survey Monkey immer mehr eingesetzt. Als «Digitaler Naiver» hatte ich da anfangs schon Berührungsängste. Es kann auch überfordernd sein, im Arbeitsalltag mit all diesen Tools zurecht zu kommen und diese richtig einzusetzen. Mit der Zeit bin ich damit aber vertrauter geworden und finde sie heute richtig wertvoll und eine gute Ergänzung.

Wichtig ist es zu wissen, dass ein Tool oder eine Methode immer Hilfsinstrumente sind und diese nicht mit den Inhalten einer Mitwirkung verwechselt werden sollten. Diese Tendenz beobachte ich im heutigen Mitwirkungsgeschäft immer wieder. Es ist zentral, sich auch mit dem Ertrag einer Methode bzw. eines Tools auseinanderzusetzen und die richtigen Fragen zu stellen: Bringt mir dieses Tool im vorgegebenen Setting und in dieser Phase der Mitwirkung die gewünschten Resultate? Oder ist eine analoge bzw. hybride Methode zielführender?

Warum habt ihr euch bei Familie & Quartier Stadt Bern für die Entwicklung einer digitalen Methodenbox für Kinder- und Jugendmitwirkungen entschieden?

Durch die Corona-Pandemie haben wir einen massiven Digitalisierungsschub erhalten, nicht nur in den Mitwirkungen selbst, sondern auch in der Kommunikation mit den Kindern und Jugendlichen. Wir mussten und müssen die konventionellen Kinder- und Jugendmitwirkungsprozesse überdenken. Für die Planung jeder Begegnung vor Ort mussten wir in den vergangenen zwei Jahren immer auch digitale Alternativszenarios entwickeln. Diese Dringlichkeit war sicher ein Grund, eine digitale Methodenbox zu entwickeln. Zweitens kann die Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen – die sogenannten «Digital Natives» – mit zusätzlichen digitalen Methoden potentiell stärker in Mitwirkungsprozesse einbezogen werden. Und drittens, weil einige digitale Methoden auch zeit- und ortsungebunden eingesetzt werden können, was uns ein Anliegen ist.

Wie hast du den bisherigen Prozess zur Entwicklung der Methodenbox erfahren?

Ehrlich gesagt hatte ich zuerst Bedenken, auch weil sich die digitale Welt so schnell entwickelt und es immer wieder neue Tools gibt. Dennoch war der Prozess von euch durch die Design Thinking Methodik sehr gut begleitet. Das ganze Team von Soziokultur, aber auch der DOK Impuls, die bei uns viele Kindermitwirkungen machen und externe Expert*innen wie beispielsweise Urban Equipe wurden laufend in den Prozess eingebunden. Das war toll! Wir wurden von euch anfangs zu unseren Bedürfnissen und Erfahrungen befragt, konnten uns mit anderen Expert*innen auf dem Feld austauschen. In einem nächsten Schritt durften wir dann Methoden vorselektieren und bewerten und können die Methoden, die in der engeren Auswahl gelandet sind, zurzeit auch an konkreten Mitwirkungen im Alltag testen, bevor diese dann endgültig in der Methodenbox Eingang finden.

Würdest du sagen, dass sich die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in den Mitwirkungen in den letzten 22 Jahren verändert haben?

Die Grundbedürfnisse der Kinder sind gleich geblieben: Bis zu einem gewissen Alter sind Kindern am liebsten draussen in der Natur, später sind sie es sich gewohnt, digital zu arbeiten. Was mir jedoch auffällt ist, dass es nach etwa einer halben Stunde am Tablet wieder etwas Analoges mit Bewegung braucht. Ein Methodenmix ist zentral in den Mitwirkungen.

Gerade Kinder und Jugendliche mögen es, wenn Mitwirkungen abwechslungsreich sind, und da erweitern digitale Methoden und Tools die Bandbreite um einiges. Auch die schnellen Reaktionszeiten im Alltag, die beispielsweise die gemeinsame Arbeit via Zoom bietet, sind da sehr dienlich. Während einem Zoom-Meeting hat sich ein Kind zum Beispiel einen Brunnen und ein Kompotoi auf der Kasernenwiese gewünscht. Der Junge hat dann direkt während unserer Zoom Session dem Kommandanten eine E-Mail geschrieben und dieser hat noch während unserem Meeting geantwortet, dass eine Umsetzung vom Kanton als Grundstückbesitzer abhängig ist. Der Junge war trotzdem sehr zufrieden, weil er direkt erfahren hat, dass seine Idee ernst genommen wurde. Andererseits waren zum Beispiel die Kinder-Sessionen online via Zoom eher schwierig, da gerade bei den Kindern die Aufmerksamkeitsspanne nach kürzerer Zeit online schnell abnimmt.

Abschliessend: Sind deiner Meinung nach die altbewährten, analogen Methoden im Endeffekt doch immer noch die besten?

Jede Methode und jedes Tool haben seine/ihre Vor- und Nachteile. Die analogen Methoden funktionieren gerade bei Kindern sehr gut, da auch die sinnliche Komponente miteinbezogen wird: Bei Quartier-Rundgängen sind wir oft sehr analog unterwegs und arbeiten zum Beispiel mit Polaroid Fotos. Die Kinder und Jugendlichen können dann ihre Lieblingsplätze und Unorte im Quartier festhalten, und da kommt Polaroid besonders gut an, weil das Foto sofort da und sogar beschriftbar ist. Die digitalen Tools sind eine spannende Erweiterung. Und schliesslich ist es ein absolutes Muss, verschiedene Tools und Methoden zu mischen und zu kombinieren, um eine spannende Mitwirkung zu konzipieren. Wir setzten zurzeit viel auf hybride Methoden, die sowohl in analogen wie auch digitalen Settings genutzt werden können. Durch solche hybriden Methoden können wir auch analoge Begehungen mit digitalen Tools und Apps ergänzen und diese Vorgehensweise bietet uns im Endeffekt den grössten Mehrwert.