Partizipieren will geübt sein (und damit meinen wir nicht nur die Aussprache dieses Begriffs)
Regelmässig verursacht die Aussprache einen Zungenknoten: Partizipation. «Parti-…was?!» fragte zum Beispiel 2019 urban equipe und auch heute hinterlässt er bei vielen noch ein Fragezeichen, die den Begriff zum ersten Mal hören. Besonders im Umgang mit Kindern und Jugendlichen weichen wir deshalb auf alternative Begriffe aus. So sprechen wir zum Beispiel von Mitwirken, Mitreden oder Mitmachen, wenn wir Kinder und Jugendliche für ihr Recht auf Partizipation sensibilisieren. Aber nicht nur der Begriff hat es in sich – um sein Recht auf Partizipation wirklich ausüben zu können, braucht es: Übung.
Kinder- und Jugendthemen waren seit der Gründung von ProjektForum immer Teil unserer Tätigkeiten und prägen auch viele der individuellen Berufsbiographien unserer Teammitglieder. ProjektForum wurde im Jahr 2010 notabene als «Agentur mit Fokus Kinder- und Jugendkommunikation» gegründet. Seither ist unser Fokus breiter geworden – durch das wachsende Team sind weitere Fachgebiete und Erfahrungshintergründe hinzugekommen, wodurch wir unser Kompetenzangebot und somit auch unser Auftragsportfolio diversifizieren konnten. Doch auch heute weisen viele unserer Mandate einen Bezug zu Kinder-, Jugend- und Bildungsthemen auf – meist in Verbindung mit Kinder- und Jugendpartizipation. So durften wir im letzten Jahr beispielsweise den Kanton Solothurn bei der Konzeption der ersten Kinder- und Jugendtage und der Neuausrichtung des Jugendpreises Ausgezeichnet! begleiten, die Stadt Thun bei der Entwicklung eines neuen Kinder- und Jugendleitbildes und der Rezertifizierung mit dem unicef-Label «Kinderfreundliche Gemeinde» beraten oder den partizipativen Prozess zum Neubauprojekt der Schulanlage Riethüsli in der Stadt St. Gallen konzipieren und durchführen. Regelmässig unterstützen wir auch die Stadt Bern bei Jugendmitwirkungen – meist im Zusammenhang mit Bau- oder Schulraumprojekten.
Kinder- und Jugendliche zur Partizipation befähigen
Bei der Bearbeitung unserer Mandate haben wir festgestellt, dass bei vielen Vorhaben mit dem Ziel, Kinder- und Jugendliche an Entscheidungen zu beteiligen und durch partizipative Prozesse Einfluss auf ihre Lebensbereiche nehmen zu lassen, immer wieder dieselben Fragen auftauchen.
Der eine Fragekomplex dreht sich um die Erreichbarkeit von Kindern und Jugendlichen. Über welche Kanäle erreichen wir Kinder und Jugendliche? Wie stellen wir sicher, dass sie von der Mitwirkungsmöglichkeit Kenntnis erhalten und daran teilnehmen?
Der andere Fragekomplex dreht sich um die Methodik: Wie gestalten wir die Mitwirkungsmöglichkeiten zielgruppengerecht? Wie stellen wir die uns interessierenden Fragen so, dass sie von Kindern und Jugendlichen auch wirklich verstanden werden und adäquat bearbeitet werden können? Welche Instrumente, Materialien und Ausdrucksmittel stellen wir den Kindern und Jugendlichen für die Bearbeitung der Fragestellungen und Formulierung ihrer Antworten zur Verfügung? Sprich: Wie befähigen wir Kinder und Jugendliche, ihr Recht auf Partizipation ausüben zu können?
Übung als wichtiges Element zur Befähigung
Welche Methoden und Kanäle sich für die Mitwirkungen eignen, sind je nach Projekt sehr unterschiedlich und individuell – und auch so niemals ein Garant, dass Kinder und Jugendliche auch wirklich mitwirken. Denn die Qualität der Resultate, die aus Kinder- und Jugendmitwirkungen resultieren, ist nicht immer die gleiche. Meist sind wir begeistert, mit wieviel Engagement sich die Kinder und Jugendlichen an die Aufgabenstellung machen und welche kreativen Lösungsansätze sie dabei zum Ausdruck bringen. Es kann aber auch vorkommen, dass einige beteiligte Kinder oder Jugendliche nicht sonderlich konzentriert bei der Arbeit sind. Vielleicht interessiert sie die Fragestellung zu wenig? Vielleicht ist sie zu wenig verständlich? Und vielleicht ist es ist einfach nicht ihr Tag?
Nicht zufriedenstellende Resultate können auch ein Hinweis darauf sein, dass die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen unzureichend dazu befähigt wurden, ihr Recht auf Partizipation auszuüben. Und dabei sind es nicht nur die eingesetzten Methoden, die für die Qualität der Resultate verantwortlich sind, sondern auch die Übung. Unsere These lautet, dass echte Befähigung auch die Möglichkeit zu üben voraussetzt. Erst durch das wiederholte Üben der eigenen Mitsprache und Einflussnahme lernen wir unsere wahren Bedürfnisse zu verstehen und diese zu äussern. Mitsprache setzt ein grosses Mass an Selbstreflexion voraus: Was will ich eigentlich wirklich? Was brauche ich, um mich wohl zu fühlen? Was macht mich an der aktuellen Situation unzufrieden und wie sähe mein Wunschszenario aus? Fragen, die zu beantworten nicht nur Kindern und Jugendlichen zuweilen schwerfallen dürfte.
Im Rahmen unserer Mandate ist es genau jene Übung, die oft etwas zu kurz kommt, beziehungsweise auf welche wir wenig Einfluss nehmen können. Meistens haben wir nicht die Möglichkeit der wiederholten oder kontinuierlichen Arbeit mit den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen – oft beschränkt sich unsere Zusammenarbeit auf ein paar Stunden, höchstens einen Tag. Deshalb appellieren wir an alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben: Lasst sie ihre Mitsprache üben – in der Familie, in der Schule, in der Freizeit. Nur so werden aus Partizipationsmöglichkeiten auch Partizipationsfähigkeiten.