Das partnerschaftlich-partizipative Projekt «E Guete z’Basel!» hat das Ziel, eine ausgewogene Ernährung bei alleinlebenden Personen 65+ zu fördern. Doch wie stellt man in Zeiten der Pandemie Partizipation von vulnerablen Zielgruppen sicher? Die Lösung sind innovative Workshop-Formate, die den partizipativen Prozess mit digitalen Methoden, Formaten und Instrumenten ergänzen.

Mitte 2020 initiierte die Berner Fachhochschule gemeinsam mit dem Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt als Umsetzungspartner und der Unterstützung von Gesundheitsförderung Schweiz das innovative Projekt „E Guete z’Basel!». Im Projekt, das drei Jahre dauert (2020-2022), stehen die Bedürfnisse und Lebenswelten der Zielgruppe „ältere Menschen“ im Vordergrund. Doch Corona stellte das Projektteam rund um Dr. Karin Haas, Dozentin an der Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit und Christian Wick, Stv. Leiter Abteilung Prävention des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, vor neue Herausforderungen.

Alleinstehende «ältere» Menschen und ausgewogene Ernährung: eine Herausforderung
Das Älterwerden bringt viele Veränderungen mit sich, welche sich auf die Selbstständigkeit und die Lebensqualität auswirken. Eine ausgewogene Ernährung kann das Älterwerden positiv beeinflussen. Insbesondere alleinstehende, ältere Menschen sind für das Thema jedoch tendenziell schwer zu gewinnen. Die Pandemie erwies sich als zusätzlich erschwerender Faktor im Projekt, wie Karin Haas erläutert: «Einerseits ist unsere Zielgruppe schon per se nicht ganz einfach für das Thema zu begeistern, andererseits gehört diese auch zu der durch das Corona-Virus besonders gefährdeten Gruppe. Zudem ist gerade bei dieser Zielgruppe das Bedürfnis nach persönlichem Austausch gross und digitale Kompetenzen sind nicht bei allen Teilnehmenden im Projekt selbstverständlich vorauszusetzen.»

Das klassische Workshop Setting greift nicht

Wie schon in unserem Blogartikel «Partizipation – jetzt erst recht!» erläutert, ist es zentral, dass wichtige gesellschaftliche Prozesse während der Corona-Krise nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden und wir unsere Zukunft weiterhin gemeinsam gestalten. Daher wurde ProjektForum anfangs Jahr für die Moderation und Konzeption zweier partizipativer Workshops angefragt. Doch rasch wurde klar, dass das klassische Workshop-Setting mit dieser vulnerablen Zielgruppe nicht passt. Daher mussten wir die klassischen partizipativen Prozesse mit neuen, digitalen und hybriden Methoden, Formaten und Instrumenten anreichern.

Erste Idee: Studierende unterstützen die Senior*innen technisch

Zuerst dachten wir einen komplett digitalen Workshop an, bei dem die älteren Menschen von zuhause aus teilnehmen könnten und von negativ getesteten Studierenden der Berner Fachhochschule technisch begleitet würden. Doch diese Idee kam nicht zum Fliegen. Christian Wick erklärt wieso: «Durch den organisatorischen Mehraufwand (Recruiting und Briefing der Studierenden), der Privatsphäre (nicht alle Teilnehmenden wollen oder können die Studierenden zu Hause zu empfangen), infrastrukturelle Herausforderungen (Laptops etc.) und vor allem den stark eingeschränkten sozialen Kontakt wurde schnell klar, die Workshops müssen analog stattfinden – in welcher Form auch immer.»

Die Lösung: Ein Kleingruppensetting mit digitaler Regie

Daraufhin plante ProjektForum ein Kleingruppensetting mit einer digital zugeschalteten Regie: Die 20 Senior*innen wurden in moderierte 5er Gruppen eingeteilt, und konnten so je in einem separaten Raum vor Ort in Basel gemeinsam diskutieren und arbeiten. Der Austausch zwischen den Kleingruppen fand digital via Microsoft Teams (MS Teams) statt. Das Setting wurde von einer Regie überwacht, die ebenfalls vor Ort, aber wiederum in einem anderen Raum stationiert war.

Von der Moderationsanfrage zur Regieführung

Die Rolle von ProjektForum wandelte sich während dem Projekt ständig: Ursprünglich für die Moderation und Konzeption angefragt, übernahmen wir schliesslich auch die Regie während der beiden Workshops. Damit waren wir nicht nur für die Konzeption, sondern auch für das Zeitmanagement, das technische Set-up, die Drehbuchvorgaben, wie auch die Moderation des Rahmens zuständig. Das hybride Setting war herausfordernd, aber auch sehr spannend. Einziger Nachteil: Aus dem Regieraum konnten wir nicht immer mithören, was in den einzelnen Gruppen erarbeitet wurde, da alle auf stumm geschalten waren. Ansonsten hätten wir im Regieraum fünf Gruppen gleichzeitig gehört – auch dafür hätte es bestimmt eine technische Lösung gegeben – aber schliesslich sind wir immer noch eine Kommunikationsagentur und keine Technikbude.[1] Daher hiess es: Fokus auf das visuelle Bild und ein stetiges digitales Abstimmen mit den Moderator*innen, um den zeitlichen Rahmen einzuhalten. Wir kamen uns zeitweise wie hinter den Kulissen des Fernsehens vor: «Regieraum an Gruppe 2: Ihr könnt jetzt mit eurer Präsentation starten» oder «Regieraum an alle Gruppen: Ihr habt noch 5 Minuten Zeit. Reicht euch das?» Dann auf das visuelle Thumbs-up warten, und weiter geht’s….

Chancen und Herausforderungen dieses Spezialsettings

Neben seiner Komplexität bot das Kleingruppensetting viele Vorteile: Das Risiko einer Ansteckung mit Corona konnte einerseits deutlich gesenkt werden (Kleingruppen, keine Durchmischung in der Pause, Take-Home-Apéro). Andererseits waren die Gruppenmoderator*innen, jeweils für die Technik in der Kleingruppe (Bedienung MS Teams, Ton, Präsentationen etc.) zuständig, wodurch sich die Senior*innen auf ihre eigentliche Aufgabe – die praktische Umsetzung einer ausgewogenen Ernährung – fokussieren konnten. Zudem wurden über den Regieraum Informationen an alle 5 Kleingruppen gleichzeitig gestreamt, wodurch sich die Gruppenmoderator*innen auf die Moderation vor Ort konzentrieren konnten. «Das Setting war neu für uns. Der Nervenkitzel war schon da, das muss ich zugeben. Am Schluss war ich aber erstaunt, wie gut alles geklappt und wie viel Spass es gemacht hat. Wir können stolz auf uns sein!», erzählt Nicola Hausner, einer der Moderatoren und Mitorganisatoren des Gesundheitsdepartements Kanton Basel-Stadt. Schliesslich sind bei einem solch komplexen Setting genug Vorlaufzeit am Tag der Veranstaltung selbst und ein Technik-Check wichtig. Darüber hinaus ist ein Drehbuch mit detaillierten Zeitangaben und ein Briefing, an denen sich jede*r Gruppenmoderator*in orientieren kann, zentral. Und dann heisst es eintauchen in die hybriden Welten und Partizipation – auch unter widrigen Umständen – wirklich zu leben.

Haben Sie Fragen zu diesem Set-up? Dann melden Sie sich bei delia.imboden@projektforum.ch.


[1] Bei grösseren Veranstaltungen arbeiten wir daher gerne mit einem externen Technikpartner zusammen, der für solche Fälle über die richtige Expertise verfügt.